Tag 2: Straubing statt Deggendorf

Vorab ein kleiner physikalischer Exkurs. Also, wenn wir davon ausgehen, dass Herr Einstein mit seiner Äquivalenzthese von Energie und Masse nicht ganz falsch lag (diverse Feldversuche mit Atomkraftwerken und Wasserstoffbomben scheinen seine Behauptung zu untermauern). Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass ich heute einiges an Energie aufwenden musste, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Wenn wir nun den naheliegenden Schluss ziehen und von einer Umwandlung zumindest kleiner Teile der Körpermasse in ebenjene verbrauchte Energie ausgehen. Warum zur Hölle fühlen sich meine Beine dann schwerer an als gestern früh?!

Eigentlich wollte ich heute ja bis nach Deggendorf fahren. Weil ich eigentlich morgen ein gutes Stück hinter Passau kommen wollte. Damit ich eigentlich am Donnerstag nur noch 2-3 Stunden zu fahren habe und möglichst zeitig auf der Ars Electronica bin. Aber dann gab es heute einige so schöne Ecken, dass an die Stelle des Kilometerfressens das Landschaftgenießen getreten ist. Klar, oft genug ist der Radweg einfach eine Schotterpiste hinter dem übermannshohen Damm der Donau, führt über Kilometer in großen Schwüngen durch flache und schmucklose Feldlandschaften, tangiert den namensgebenden Strom nur hin und wieder. Aber dann tauchen plötzlich Stellen auf, da bleibt dir erstmal die Spucke weg. Periphäre Gewässer, umschlungen von Bäumen, Sträuchern und Wiesen, dass es nicht sonderlich verwundern würde, ertönte irgendwo Samweiß Gamdschies "Herr Frodo" durch das Vogelzwitschern. Krasse Sache, echt:

Regensburg hab ich links (bzw. geographisch rechts) liegen lassen. Nicht aus Bosheit, sondern weil es mich heute einfach nicht sonderlich gereizt hat. Kennt man irgendwie schon, ist sicher schön, hält nach knapp zwei Stunden Fahrt aber zu früh vom Weiterkommen ab. Als kurze Zusammenfassung: Baustellen, viele Radfahrer, hübsche Frauen, ein Stimmengewirr aus bayrisch, gebrochenem englisch und rheinländisch, hinter den Häusern ließ sich der Dom erahnen. Ein paar Bilder gibt's aber trotzdem:

Mais, Mais, Baby! Von Regensburg bis Wörth scheint eines der größten Maisanbaugebiete der Welt zu liegen. Oder zumindest das größte rund um Wörth. Eine ganze Weile war der Weg rechts vom Damm und links von Kolben eingerahmt. Als kleiner Farbtupfer ergänzt um übermannshohe Sonnenblumen. Die Teile waren locker drei Meter hoch, ich musste weit aufschauen um ihnen ins Gesicht blicken zu können:

Der Preis für das authentischste Ortsschild geht dieses Jahr an "Kößnach"! Etwas unverständlich ist mir nur, warum die Verabschiedung in der Sprache der Besatzungsmacht gehalten ist. Vermutlich, weil das eine andere Werbeagentur gemacht hat:

Das üben wir nochmal, Straubing. Zwar war die Anfahrt angenehm, das Wetter schön, die Fußgängerzone belebt. Aber im Gegensatz zu Kelheim konnten die Damen im Touristeninformationszentrum eine gewisse Gleichgültigkeit ob meines Anliegens nicht verbergen. "Ja, in der Stadt kriang's natürlich nix unter 50,- Euro". Hm, vielen Dank für die Zustandsbeschreibung, wie wär's mit einem Lösungsansatz? "Do miassant's hoilt aweng weiter naus geh". Ja, schon klar, genau das war auch meine ursprünliche Aussage. Zuhören und Mitdenken scheinen extra zu kosten. Nach einigem Nachhaken fand sich dann eine Unterkunft in passender Kategorie, die 10 Fahrradminuten zur Fußgängerzone machen das Kraut nun wahrlich nicht mehr fett. "Jo, i kann't scho amoil oruafa dort, oba hifoarn und nochm Preis frogn miassant's schon selba." Na, von mir aus, man will ja nicht zu anspruchsvoll wirken. Die Wegbeschreibung zu der angefragten Pension war leider falsch, dank google hab ich trotzdem hingefunden - und mich dann spontan für was anderes entschieden... Das ist jetzt auch nicht besonders, eher gehobene Jugendherberge, dafür gibt's direkt im Haus ein warmes Abendessen. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Insgesamt fällt mir spontan die Überleitung von "Straubing" zu "Charme" eher schwer. Vielleicht war es auch nur der falsche Einstieg, die falsche Zeit, die falsche Mondphase. Die Innenstadt selbst ist ja wahrlich schön anzusehen, ein paar Bilder gibt es daher trotzdem, Ehrensache:

Die Grenzen zwischen Haben und Sein verschwimmen übrigens in Niederbayern, vermutlich umso stärker je weiter man sich ins Landesinnere wagt. "De han ja ned bled!" war der Kommentar zu den Metzgermeisterschwiegersöhnen, bzw. zu deren Lebensplan, sich im vom Metzgermeisterschwiegervater finanzierten Eigenheim der Metzgermeisterstochter einzunisten. Stammtische, die letzte Bastion der alten Werte.

Morgen dann weiter nach Passau, gen Osten strebend. Glücklicher- und erfreulicherweise hat sich ein spontanes Wiedersehen mit einer alten Bekannten ergeben! Wie ernst das "zu uns geht's halt ziemlich den Berg hoch" zu nehmen ist, werd ich dann morgen Abend sehen. No risk, no fun!

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